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Personalübernahme vom Altbetreiber als Erfolgsfaktor einer Inbetriebnahme

Gastbeitrag von Rainer Huke

Am 9. Juli war es sieben Monate her, dass mit der Verbindung Hamburg – Cuxhaven die erste „Start-Strecke“ von der Verkehrsgesellschaft Start Unterelbe mbH übernommen wurde. Bei allen Anlauf-Schwierigkeiten: bis zum heutigen Zeitpunkt sind keine personalbedingten Ausfälle von Leistungen zu verzeichnen. Im Gegenteil. Mit den motivierten Mitarbeitern konnten sogar netz- und fahrzeugbedingte Ausfälle in ihrer Wirkung gedämpft werden. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Der Erfolgsfaktor Personal beruht im Wesentlichen auf zwei Standbeinen: Eine sehr hohe Wechselquote von Mitarbeitern zur Verkehrsgesellschaft Start Unterelbe mbH sowie eine äußerst erfolgreiche Funktionsausbildung, die mit Unterstützung von DB Training und DB Regio Nord durchgeführt worden ist. Im Folgenden soll der Fokus auf die Mitarbeiter gerichtet werden, die vom früheren Betreiber auf die Start Unterelbe übergegangen sind. Rechtlich fand wegen der mit dem Verkehrsvertrag verbundenen Übernahme von Fahrzeugen ein Betriebsübergang gem. § 613a BGB statt. In anderen Ausschreibungen machen die Aufgabenträger von ihrer Möglichkeit aus § 131 Abs. 3 GWB Gebrauch und ordnen den Wechsel von Personal an. Beide Wege sind in ihrem Ursprung darauf ausgerichtet, die von einem Betreiberwechsel betroffenen Arbeitnehmer zu schützen. Sie sollen weder ihren Arbeitsplatz verlieren, noch sollen sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern.

Doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Im Vordergrund steht das Bestreben, die Bestandspersonale zum Wechsel zu motivieren, um mit genügend Personal und dem notwendigen Know-how einen erfolgreichen Betrieb zu ermöglichen. Dies ist für den neuen bzw. künftigen Betreiber mit Herausforderungen verbunden. Für ihn gilt es, bei den Mitarbeitern frühzeitig Vertrauen zu schaffen und für den Wechsel, zu dem kein Beschäftigter gezwungen werden kann, zu werben. Dafür ist er auf Informationen und die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Betreiber, einem Wettbewerber, angewiesen. Darin besteht zum Teil die Herausforderung. Dies hat seine Ursache in erster Linie darin, dass zwischen altem und neuem Betreiber keine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht. Förderlich ist, wenn der Altbetreiber Interesse an einem vernünftigen Umgang hat, bspw. weil er über weitere Verkehrsverträge mit dem Aufgabenträger zusammenarbeitet oder die Aussicht auf eine künftige Zusammenarbeit mit dem Neubetreiber besteht.

Letztlich hat die aktuelle Personalsituation in den jeweiligen Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt Wirkung auf die Zusammenarbeit. Der Altbetreiber hat es ein Stück in der Hand, das Ergebnis des Betriebsübergangs, nämlich die Zahl der Beschäftigten, die tatsächlich wechseln können und wollen, zu beeinflussen.

Worauf kommt es konkret an?

Der neue Betreiber ist im Vorfeld des Betriebsübergangs auf zahlreiche Informationen angewiesen, um den Betriebsübergang und die Inbetriebnahme vorzubereiten. Mit den Informationen zu den konkreten Arbeitsbedingungen wie den aktuellen Tarif- und Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträge sowie den sonstigen Rechten der Arbeitnehmer erhält der neue Betreiber zugleich einen Einblick in das Innenleben des Wettbewerbers. An dieser Stelle ist schnell spürbar, dass der Betriebsübergang nicht auf einer vertraglichen Beziehung zwischen Alt- und Neubetreiber beruht, in der diese Dinge üblicherweise geregelt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Aufgabenträger gefordert, ist er doch in der Lage, innerhalb der Dreiecksbeziehung auf beide Seiten einzuwirken:

-     Er kann den Altbetreiber zur Zusammenarbeit mit dem künftigen Betreiber mit Blick auf die sich aus einem Betriebsübergang ergebenden Aufgaben verpflichten. In diesem Zusammenhang könnte, initiiert durch den Aufgabenträger, der Abschluss einer bilateralen Vereinbarung hilfreich sein. Ggf. ließe sich eine Erklärung vom Aufgabenträger vorformulieren und den Ausschreibungsunterlagen beifügen, auf die sich Alt- und Neubetreiber verpflichten müssen.

-     Die Verpflichtung des Altbetreibers, eine due diligence durch den neuen Betreiber durchführen zu lassen. Die zwingend notwendigen Informationen, die dem Neubetreiber zur Verfügung zu stellen sind, sind klar zu definieren:

  1. Es bedarf der endgültigen Zuordnung der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer mit Details zu den konkreten Beschäftigungsverhältnissen. In Zweifelsfragen sollte eine Vermittlung über den Aufgabenträger stattfinden. Es ist zu verhindern, dass dem Neubetreiber Mitarbeiter „untergeschoben“ oder „entzogen“ werden.

  2. Dem neuen Betreiber müssen frühzeitig die zum Zeitpunkt des Betreiberwechsels geltende Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen sowie Musterarbeitsverträge zur Verfügung stehen. Zum Teil dürften die den Vergabeunterlagen beigefügten Informationen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits überholt sein, so dass es der Aktualisierung bedarf.

  3. Informationen über Resturlaube, Ersatzruhetage, Arbeitszeitguthaben etc. Mit Blick auf den Personalbedarf in zeitlichem Zusammenhang mit dem Betreiberwechsel dürfte die Verpflichtung, Urlaubs- und Zeitguthaben auszugleichen, wenig hilfreich sein (es sei denn, es ist ausreichend Personal vorhanden). In der Regel wird die aus dem Betriebsübergang folgende Verpflichtung des Neubetreibers zielführender sein, diese Zeiten zu übernehmen, verbunden mit der Verpflichtung des Altbetreibers, diese gegenüber dem Neubetreiber finanziell auszugleichen. An dieser Stelle können Vorgaben des Aufgabenträgers einen Streit zwischen Alt- und Neubetreiber vorbeugen.

Vor dem eigentlichen Wechsel der Mitarbeiter bzw. der Inbetriebnahme bedarf es nochmal eines umfassenden Informationsaustauschs:

  1. Informationen zum Urlaub (Urlaubsplanung, Entscheidung der Arbeitnehmer bzgl. Mehrurlaub); vor dem Hintergrund der tarifvertraglichen Regelungen bedarf es einer Zusammenarbeit bei der Urlaubsplanung bereits vor dem Übergang, bspw. eine Abfrage beim Altbetreiber zu Urlaubswünschen für Urlaubszeiträume beim Neubetreiber.

  2. Informationen zu den konkreten Schichten der Mitarbeiter, da sich die Schichten beim Neubetreiber unmittelbar an die des Altbetreibers anschließen und dementsprechend bei der Schichtplanung des Neubetreibers berücksichtigt werden müssen.

  3. Gesetzliche und tarifliche Regelungen knüpfen zum Teil an vorangehende Arbeits- und Abrechnungszeiträume an. Auch diesbezüglich bedarf es der Zusammenarbeit bzw. dem Informationsaustausch.

-     Schließlich sollte der Altbetreiber verpflichtet sein, unter Beachtung eisenbahnrechtlicher Vorgaben mit dem Neubetreiber vorab zur Qualifizierung neuer Mitarbeiter zusammenzuarbeiten (sowohl bzgl. Fahrzeuge als auch bzgl. Streckenkenntnis) und dem Neubetreiber Zugang zu den Fahrzeugen / der Strecke zu gewähren. Nur so kann gewährleistet werden, dass zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme genügend qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Fahrzeuge zur Erfüllung des Verkehrsvertrags vom Aufgabenträger zur Verfügung gestellt werden.



Zum Autor:

Rainer Huke

Rainer Huke hat in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt die Inbetriebnahme Strecke Cuxhaven-Hamburg durch die Verkehrsgesellschaft Start Unterelbe mbH begleitet und den Betriebsübergang betreut. Seine Erfahrungen, die er in das Projekt einbringen konnte, hat er insbesondere durch seine langjährige beratende Tätigkeit im Arbeits- und Tarifrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) erworben.