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„Das ist der Mercedes unter den Tarifverträgen“ - Rainer Huke, Rechtsanwalt

„Das ist der Mercedes unter den Tarifverträgen“

Bei Tarifverhandlungen geht Rainer Huke für start in die Bütt. Was mit Mitarbeiter:innen und Tarifverträgen passiert, wenn Verkehre von Wettbewerber:innen übernommen werden, und warum es auch bei Tarifen auf das Kleingedruckte ankommt, verrät uns der Rechtsanwalt

Wenn alle über ein Verhandlungs-Ergebnis meckern, spräche das für einen hervorragenden Kompromiss, heißt es in der Politik. Gilt das auch für Tarifkonflikte?

Aber sicher. Das Verhandlungsgeschäft lebt davon. Die Arbeitgeberseite erklärt grundsätzlich, sie sei mit dem Ergebnis bis an die absolute Belastungsgrenze gegangen und die Arbeitnehmerseite betont, sie habe mit dem Tarifabschluss das maximal mögliche herausgeholt. Das ist Teil des Spiels und ein wichtiges Ritual.

Ist das auch bei den Tarifverhandlungen der Fall, die für start geführt werden? Da sitzt mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer GDL eine streitlustige und starke Gewerkschaft gegenüber.

Das ist wahr. Allerdings gilt für start seit 2019 ein so genannter Verweisungstarifvertrag. Er legt fest, dass die für die DB Regio AG geltenden Tarifverträge auch bei start in allen bestehenden und künftigen start Netzen Anwendung finden. Die Regio-Tarifwelt ist also schon vor mehr als drei Jahren bei start angekommen. Kommt es im Rahmen von Betriebsübernahmen zu Verhandlungen, spricht man mit den Gewerkschaften also nicht über das große Ganze, sondern über Regelungsbedarf, der sich möglicherweise daraus ergibt, dass es beim Altbetreiber Regelungen gab, die weiter Bestand haben sollen.

Wie lief das beim Taunusnetz? Das wurde bis zur Betriebsübernahme durch start im Dezember 2022 von der Hessischen Landesbahn HLB betrieben.

Bei einem Betreiberwechsel gibt es unterschiedliche Szenarien. Im Fall des Taunusnetzes hatten wir einen angeordneten Betriebsübergang. Das heißt, der Rhein-Main-Verkehrsverbund hat der die Regionalverkehre Start Deutschland GmbH als Gewinnerin der Ausschreibung mit der Leistungsbeschreibung und dem Vergabevertrag den Auftrag mitgegeben, in den Bereichen Schiene oder Disposition tätiges Personal der HLB in den betrieblichen Dienst zu übernehmen. Nachdem wir uns mit der Gewerkschaft nicht über Abweichungen verständigt haben, gibt es hier die Regio-Tarifwelt in Reinkultur. Das haben wir den Mitarbeiter:innen auch gerne direkt so weitergegeben. Schließlich gelten die Regio-Tarife auf dem Eisenbahnmarkt als Mercedes unter den Tarifen.

Woran wird das festgemacht?

Nicht unbedingt beim Tabellenentgelt. Da wird man kaum noch Unterschiede zwischen der DB und ihren Wettbewerbern feststellen. Die sind sich sehr nahe, wenn nicht sogar deckungsgleich. Es gibt aber auch Regelungen und Konditionen, die nur die Regio hat. Die finden sich aber eher bei (Sozial-)Leistungen wie betrieblicher Altersvorsorge, Zuschlägen oder Zulagen. Beispielsweise fängt die Nacht bei der DB immer eine Stunde eher an, was bedeutet, dass die Zulagen für Nachtarbeit ein Stunde früher fällig werden als bei den Wettbewerbern. Das hat auch Auswirkungen auf den Umfang der Nachtzulagen und den daraus resultierenden Zusatzurlaub. Der kann bei der DB auf das Jahr gerechnet um bis zu vier Tage höher ausfallen als bei Wettbewerbern.

Geht es beim Tarifpoker also gar nicht so sehr um die Prozentzahlen, die so gerne ins Schaufenster gestellt werden? Sind es eher diese kleinen Details, die den Kohl fett machen?

Unter dem Strich liegen die Abstände zu den Wettbewerbern häufig immer noch um die 6, 7, 8 Prozent. Die resultieren aber aus dem tariflichen Fine Tuning und nicht aus den dicken Brocken wie dem Tabellenentgelt oder der Arbeitszeit. Die ehemaligen Mitarbeiter:innen von start, die von Wettbewerbern kamen – wie zuletzt bei der Taunusbahn von der HLB – haben bei der Deutschen Bahn beispielsweise auch einen Urlaubstag mehr. Darüber hinaus gibt es ein sehr flexibles Wahlrecht zwischen höherem Gehalt oder mehr Urlaub.

Was bedeutet das konkret?

Abhängig von der Betriebszugehörigkeit kommen die Mitarbeiter:innen damit auf bis zu 42 Urlaubstage – 28 bis 30 Tage Urlaubsanspruch aus der Urlaubsstaffel sowie Anspruch auf sechs oder 12 Tage zusätzlichen Erholungsurlaub. Wenn sie im Schichtdienst tätig sind, kommen noch einmal drei bis vier Tage Zusatzurlaub hinzu und dann ist man bei 45 bis 46 Tagen Urlaub. Das haben die Wettbewerber mittlerweile zwar auch zum Teil übernommen, sie gehen aber nicht so weit wie die Bahn.

Trotzdem sind die nächsten Tarifverhandlungen so sicher wie das Amen in der Kirche – und wahrscheinlich werden sich die Tarifpartner erst nach langem Tauziehen zusammenraufen, um das Ergebnis dann als Erfolg zu verkaufen. Ist dieses Ritual wirklich nötig?

Am Ende geht es darum, einen Konsens herzustellen. Verträge werden unterschrieben und der gelungene Abschluss ist das gemeinsam erzielte Ergebnis. Also beendet man die Auseinandersetzung auch gemeinsam, reicht sich die Hände und sollte sich dabei auch in die Augen schauen können. So überträgt sich der Abschluss dann auch besser auf diejenigen, die man vertritt und für das Ergebnis gewinnen muss.